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Wer Migrant*innenorganisationen und (post)migrantische Organisationen und Initiativen nicht finanziert, zahlt am Ende mit Demokratie und Fachkräftemangel
– Forderungen zum Bundeshaushalt 2026 –
Migrant*innenorganisationen (MO) und neue deutsche Organisationen (ndO) bilden seit Jahrzehnten eine tragende Säule der Einwanderungsgesellschaft. Sie beraten, begleiten und unterstützen Menschen mit Migrationsgeschichte und schaffen Vertrauen zwischen Communities und Gesamtgesellschaft. Ihre überwiegend ehrenamtlich geleistete Arbeit ist unverzichtbar für Integration, Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt und gewinnt in Krisenzeiten besondere Bedeutung.
Doch diese Arbeit steht auf unsicheren Füßen: prekäre Strukturen, fehlende hauptamtliche Stellen, unzureichende Finanzierung und zu wenig politische Anerkennung. Gleichzeitig gerät die Gesellschaft selbst unter Druck: Polarisierung, Misstrauen gegenüber Institutionen und Angriffe auf die Zivilgesellschaft gefährden den demokratischen Zusammenhalt. Dieses Klima hat auch handfeste ökonomische Folgen: Es fehlen derzeit über 530.000 qualifizierte Arbeitskräfte, ein Mangel, der sich durch Abwanderung und Abschreckung wegen Rassismus und Diskriminierung weiter verschärft. So greifen politische und wirtschaftliche Krisen ineinander.
Wussten Sie, dass
- 25,2 Mio. Menschen in D einen Migrationshintergrund (2024) haben? Das sind 30,4 % der Bevölkerung! Davon haben 13 Mio. einen deutschen Pass, 12,2 Mio. noch nicht. Klar ist, die Tendenz ist steigend!
- 42,4 % der Kinder und Jugendlichen eine Migrationsgeschichte haben?
- es ca.12.400–14.300 MO und ndO (ca. 3 % aller eingetragenen Vereine) in D gibt?
- aber für die Strukturförderung nur 2 Mio. zur Verfügung stehen?
Migrant*innenorganisationen und (post)migrantische Organisationen – Vielfalt braucht Strukturen
Unverzichtbar. Sie sichern Teilhabe und Zusammenhalt in einer vielfältigen Gesellschaft.
Nah. Sie erreichen Menschen, die staatlichen Stellen fernstehen – auch auf dem Land.
Vielseitig. Sie beraten, begleiten und informieren – besonders zu Bildung und Arbeit.
Brückenbauer*innen. Sie schaffen Zugänge zur Mehrheitsgesellschaft.
Integrierend. Ohne Parallelstrukturen eröffnen sie neue Partizipationsmöglichkeiten.
Wachsend. Mit zunehmender Vielfalt der Gesellschaft steigt ihre gesellschaftliche Relevanz.
Forderungen zur Stärkung von MO und ndO
- Community-basierte Beratungsstrukturen
Community-basierte Beratung muss in allen Förderungen von Beratungen strukturell und nachhaltig fest verankert sein (Änderung der Förderrichtlinien). Sie sorgt dafür, dass Fördermittel gezielt und vielfaltssensibel eingesetzt werden. So wird die Wirkung verbessert und die Selbstorganisation der Communities gestärkt. Ohne diese Beratung bleibt der Erfolg vieler Maßnahmen begrenzt. Weitere Informationen zu community-basierten Beratung finden sie hier.
- Erweiterung der Strukturförderung beim BAMF für (post)migrantische Organisationen | Kapitel 0603 – Titel 684 14
Damit MO und ndO dauerhaft arbeitsfähig bleiben und ihrem Auftrag gerecht werden können, brauchen Sie funktionierende Geschäftsstellen, hauptamtliche Strukturen und professionelle Öffentlichkeitsarbeit. Wir fordern die Erweiterung der Strukturförderung beim BAMF von ca. 2 Millionen auf mindestens 10 Millionen. Um das Programm effektiv zu gestalten, muss auf Eigenmittel verzichtet, die Projektvolumina von 100.000 € auf mindestens 150.000 € erhöht und mehr Träger gefördert werden. Wichtig ist außerdem eine langfristige Sicherung der Förderung für mindestens fünf Jahre.
- Stärkung der Houses of Resources | Kapitel 0603 – Titel 684 14
Die “Houses of Resources” spielen eine zentrale Rolle, indem sie kleinen Organisationen durch Infrastruktur, Beratung und Qualifizierung wichtige Unterstützung bieten. Sie schaffen Räume für Empowerment und ermöglichen eine professionelle Weiterentwicklung sowie eine stärkere Wirkung vor Ort. Wir fordern eine deutliche Ausweitung der Förderung die aktuell nur etwa 20 Organisationen bundesweit erreicht. Die Förderung soll langfristig für mindestens fünf Jahre mit einem Budget von mindestens 10 Millionen Euro pro Jahr gesichert werden.
- Programm Zusammenhalt durch Teilhabe | Kapitel 0635 – Titel 686 01
Das Programm richtet seinen Fokus auf Ostdeutschland und strukturschwache Regionen. Ziel ist es, etablierte Strukturen wie THW, Kirchen, Freiwillige Feuerwehren und Sportbünde für die Zusammenarbeit mit MO und ndO zu öffnen. Aktuell laufen etwa 70 Projekte, weshalb eine Planungssicherheit dringend notwendig ist. Das Programm fördert demokratische Mitgestaltung sowie Dialog- und Debattenkultur vor Ort. Wir fordern, das bisherige Förderniveau in Höhe von 17 Mio. zu sichern und die Durchlässigkeit für kleinere und community-basierte Träger deutlich zu erhöhen, indem ein gesondertes Förderprogramm für MOs im ländlichen Raum geschaffen werden, der Verwaltungsaufwand deutlich reduziert und auf Drittmittel verzichtet wird, um eine stärkere Beteiligung und nachhaltige Wirkung zu gewährleisten.
- Förderung durch Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und Antirassismus | Kapitel 1117 – 684 01 – 684 03
Die Förderung richtet sich auf community-basierte Beratungs-Leuchtturmprojekte, die verstetigt werden müssen. Dazu ist eine Überarbeitung der Förderrichtlinien notwendig. Ein Verzicht auf Kofinanzierung ist wichtig, da MO und ndO keine Rücklagen bilden können. Die Mindestlaufzeit der Projekte soll drei Jahre betragen, mit der bisherigen finanziellen Ausstattung. Aktuell wurden in 2,5 Jahren 32 Beratungsstellen in 12 Bundesländern aufgebaut, die nun arbeitsfähig und qualifiziert sind. Es ist dringend notwendig, die Folgefinanzierung zu sichern, um den Aufbau nicht zu gefährden.
- Programm Demokratie leben! | Kapitel 1710 – Titel 684 04
Das Programm „Demokratie leben!“ stärkt nach Evaluationen das Demokratie-Engagement und die Resilienz gegenüber demokratiefeindlichen Strömungen. Wir begrüßen die Aufstockung von 182 Mio. auf 192 Mio. Aber die Durchlässigkeit für kleinere sowie communitybasierte Träger muss erhöht werden, indem zum einen auf die Co-Finanzierung verzichtet wird. Zum anderen fordern wir innerhalb dieses Programms die Schaffung kokreativer, bedarfsorientierter Förderprogramme für MO und ndO in Höhe von mindestens 10 Mio. €. Ein Vorbild ist das „LEVEL up!“-Programm der Robert-Bosch-Stiftung, der Türkischen Gemeinde in Deutschland und den neuen deutschen organisationen (ndo), die in einem gemeinsamen Prozess die Details der Förderung erarbeitet haben, da bei jeder Organisation etwas Anderes notwendig war, um den spezifischen nächsten Entwicklungsschritt zu fördern.
Wir fordern mehr Mut in der Förderung von neuen Vereinen sowie eine verbindliche Quote von mind. 10% für MOs und ndOs. Zudem muss auf die Unterzeichnung einer sog. “Extremismusklausel” durch die Projektträger als Voraussetzung für eine Förderung verzichtet werden.
- Programm respekt*land | Kapitel 1715 Titel 68401
Mit respekt*land hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gemeinsam mit allen 16 Ländern in nur drei Jahren die Beratungskapazitäten für Betroffene um 40 % erhöht, insbesondere in bisher unterversorgten, ländlichen Regionen. Das Programm endet am 31.1.2026. Damit die erreichten Fortschritte nicht verloren gehen, fordern wir das Programm ab 2026 mindestens 6,5 Mio. € jährlich fortzusetzen. Diese Mittel sichern die neu aufgebauten Strukturen (39 VZÄ), schließen Versorgungslücken und machen Antidiskriminierungsberatung bundesweit verlässlich zugänglich. respekt*land wirkt messbar: Es stärkt den Grundrechtsschutz, sorgt für gleichwertige Lebensverhältnisse, entlastet Verwaltung und Justiz durch frühe Konfliktlösung und schafft durch einheitliche Falldokumentation belastbare Grundlagen für Politikgestaltung.
- Bundesweite ASR-Infrastruktur | Kapitel 1702 Titel 68404 / EP 1712
Deutschland hat die UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft bisher nur unzureichend umgesetzt. Die Verlängerung der Dekade ist eine verbindliche politische Verpflichtung mit klaren haushalterischen Folgen. Die in der letzten Legislatur von der Bundesregierung zur Umsetzung der “UN-Dekade für die Menschen afrikanischer Herkunft” eingesetzte Koordinierungsstelle und der dazugehörige Beirat müssen ihre Arbeit fortsetzen. Dabei gilt es die vom Beirat entwickelten Erkenntnisse, Maßnahmen und Empfehlungen der ersten UN-Dekade umzusetzen und zu verstetigen.
Darüber hinaus fordern wir die Einrichtung einer gesetzlichen Bundesbeauftragten-Stelle für Anti-Schwarzen Rassismus mit Koordinierungsauftrag für zehn Jahre, einen Fachbeirat der afrikanischen Diaspora sowie Monitoring, wissenschaftliche Begleitung, Öffentlichkeitsarbeit und Honorare für Expert*innen. Die Stelle braucht zudem eine professionelle Verwaltung und Infrastruktur, um Menschen afrikanischer Herkunft wirksam zu schützen und zu fördern (vgl. Förderung des Beauftragten der Bundesregierung gegen Antiziganismus in Höhe von ca. 1,75 Mio. € im Jahr 2025 in EP 1712 Titel 532 02).
- Strukturelle Förderung (post)migrantischer Familienverbände | Kapitel 1703 – Titel 684 21
Bundesweit tätige Familienverbände wie DFV, VAMV, FDK, eaf, iaf und ZFF werden institutionell durch das BMBFSFJ gefördert und repräsentieren verschiedene Familienrealitäten. Allerdings wird bisher die Community-Perspektive der Lebensrealitäten (post)migrantischer Familien nicht ausreichend abgebildet. Unter den geförderten Organisationen ist keine MO oder ndO.
Wir fordern daher die Erweiterung des bestehenden Fördertitels um einen (post)migrantischen Dachverband oder die Schaffung eines eigenständigen Titels für (post)migrantische und weitere Familienverbände, die unterschiedliche Vielfaltsdimensionen vertreten. Damit würde eine strukturelle Lücke geschlossen, indem plural aufgestellte, community-basierte Elterninteressen auf Bundesebene vertreten und der Bildungsbereich aktiv mit einbezogen werden.
- Strukturelle Förderung (post)migrantischer Wohlfahrtsverbände | Kapitel 1710 – Titel 684 04 und Titel 684 07
Bundesweite Wohlfahrtsverbände sichern zentrale Teile der sozialen Infrastruktur und werden institutionell durch das BMBFSFJ gefördert. Um Versorgungsgerechtigkeit herzustellen und die Vielfalt der Gesellschaft abzubilden, muss diese Förderung gezielt auf (post)migrantische und community-basierte Organisationen ausgeweitet werden.
Durch ihre Nähe zu den Communities, diskriminierungssensible Ansätze und passgenaue Angebote schließen sie Versorgungslücken, stärken das Vertrauen in staatliche Institutionen und leisten einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Weitere Informationen finden Sie hier.
