Stärkung der Repräsentation – Ermöglichung von Teilhabe: Die Rolle von Medien und Zivilgesellschaft im Kontext afghanischer Geflüchteter

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Berlin Forum for Afghanistan – Mai 2025

Seit über vier Jahrzehnten ist die afghanische Diaspora Teil der deutschen Gesellschaft. Dennoch bleiben ihre Stimmen in Medien, Politik und öffentlichem Diskurs weitgehend ungehört. Der 5. Austausch des Berlin Forum for Afghanistan am 15. Mai 2025 brachte Vertreter:innen der afghanischen Zivilgesellschaft, Journalist:innen, Wissenschaftler:innen und politische Akteur:innen zusammen, um über Medienrepräsentation, strukturelle Barrieren und Wege zu mehr Teilhabe zu diskutieren.

Dieses Policy Brief fasst zentrale Erkenntnisse und Empfehlungen des Forums zusammen. Im Fokus steht die Frage, wie eine diskriminierungssensible Öffentlichkeit geschaffen werden kann – durch stärkere Einbindung afghanischer Communities, faire Medienberichterstattung und nachhaltige Unterstützung für zivilgesellschaftliches Engagement.

Unsichtbarkeit überwinden – Strukturelle Ausgrenzung abbauen

Obwohl über 400.000 Afghan:innen in Deutschland leben, sind ihre Perspektiven in Medien und Politik unterrepräsentiert. Entgegen journalistischer Standards betonen Medienberichte überproportional häufig die Herkunft nichtdeutscher Tatverdächtiger, und die Nationalität afghanischer Geflüchteter wird in politischen Diskursen instrumentalisiert – eine Dynamik, die ihre Verletzbarkeit verstärkt. Gleichzeitig werden die positiven Beiträge von Menschen mit afghanischem Migrationshintergrund oft nicht erzählt.

Der Zugang zu Arbeit und gesellschaftlicher Teilhabe wird durch langsame Anerkennung von Qualifikationen, starre Strukturen und fehlende politische Repräsentation erschwert. Zivilgesellschaftliches Engagement existiert zwar – etwa in Vereinen und lokalen Initiativen –, erhält jedoch selten institutionelle Unterstützung. Migrantische Selbstorganisationen (MSOs) stehen vor bürokratischen Hürden, knappen Ressourcen und mangelnder Sichtbarkeit.

Empfehlungen für Politik, Medien und Zivilgesellschaft

  1. Repräsentation in den Medien stärken
    Journalistische Standards müssen konsequent angewendet werden. Die Nennung von Herkunft darf nicht zur Stigmatisierung führen. Medien sollten migrantische Stimmen aktiv einbeziehen – nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch im Alltag. Redaktionen brauchen mehr Diversität: Journalist:innen mit Migrationshintergrund sollten gezielt gefördert und einbezogen werden.
  2. Geflüchteten-geführte Organisationen unterstützen
    MSOs spielen eine zentrale Rolle in der Integrationsarbeit. Sie benötigen langfristige Förderung, niedrigschwellige Unterstützungsprogramme und Zugang zu politischen Entscheidungsgremien. Bestehende Initiativen wie VAFO sollten bundesweit gestärkt werden, um Brücken zwischen Diaspora, Politik und Gesellschaft zu bauen.
  3. Zugang zu Bildung, Arbeit und psychosozialen Angeboten verbessern
    Anerkennungsverfahren für akademische und berufliche Qualifikationen müssen beschleunigt, Sprachkurse leichter zugänglich gemacht werden. Afghanische Fachkräfte – besonders im Sozial- und Gesundheitswesen – sollten systematisch über Qualifizierungs- und Brückenprogramme integriert werden.
  4. Politische Teilhabe ermöglichen
    Menschen aus Afghanistan müssen in Integrationsräte, Beiräte und politische Entscheidungsprozesse einbezogen werden – auch ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Ihr praktisches Wissen ist ein wertvoller Beitrag für die lokale und nationale Integrationspolitik.
  5. Medienkompetenz und Empowerment fördern
    Mitglieder der Diaspora sollten Schulungen in Medienarbeit, öffentlicher Kommunikation und Interessenvertretung erhalten. Erfolgsgeschichten, Sensibilisierungskampagnen und lokale Medienprojekte können helfen, Stereotype abzubauen und ein differenzierteres Bild zu vermitteln.

Vom Rand in die Mitte der Gesellschaft

Die Veranstaltung hat klar gezeigt: Die afghanische Diaspora bringt wertvolle Expertise, Netzwerke und Engagement ein. Doch strukturelle Hürden, verzerrte Mediennarrative und das Fehlen einer politischen Stimme verhindern volle Teilhabe. Es braucht konkretes Handeln – auf kommunaler, Landes- und Bundesebene. Ein erster Schritt ist, dass Politik, Medien und Zivilgesellschaft gemeinsam dafür sorgen, dass afghanische Geflüchtete mit Würde und Respekt behandelt werden und ihre Identität nicht für politische Zwecke instrumentalisiert wird.

Internationale und nationale Organisationen, öffentliche Stellen und Medieninstitutionen tragen die Verantwortung, Räume zu schaffen, in denen Repräsentation nicht nur symbolisch, sondern strukturell verankert ist. Eine inklusive Demokratie lebt von vielfältigen Perspektiven. Die Afghanistan-Diaspora ist bereit, ihren Beitrag zu leisten – sie muss gehört, unterstützt und einbezogen werden.

Unterstützt von der Heinrich Böll Stiftung

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Stimmen im Exil - Kunst und Kultur zwischen Erinnerung und Zukunft | 26.09.2025

Am 26. September möchten wir der Kunst und Kultur aus Afghanistan einen Raum geben und gemeinsam über die Bedeutung dieser für die Diaspora sprechen. Seid in Berlin dabei!