Pride Month 2025: VAFO und Rainbow Afghanistan machen queere Stimmen im Exil sichtbar

Verfasst von Ali Tawakoli

Im Pride Month – einer Zeit, in der Gemeinschaften weltweit die geschlechtliche und sexuelle Vielfalt feiern und sich für die Rechte von LGBTIQ+-Menschen einsetzen – erheben wir die Stimme für eine Gemeinschaft, die weiterhin im völligen Dunkel lebt: die LGBTIQ+-Community in Afghanistan.

Unter dem Taliban-Regime sind queere Menschen in Afghanistan täglich von Verhaftung, Folter, Vergewaltigung, öffentlicher Bestrafung und sogar dem Tod bedroht. Viele von ihnen sehen sich gezwungen, ihre Identität zu verstecken, um der allgegenwärtigen gesellschaftlichen Hass und Gewalt zu entkommen – oder sie wagen unter lebensgefährlichen Bedingungen die Flucht.

Doch selbst für jene, die nach dem Fall Afghanistans durch die Taliban evakuiert werden konnten und heute in Deutschland leben, bleiben die seelischen Wunden, das Gefühl von Einsamkeit und die ständige Sorge um die zurückgebliebenen Angehörigen eine tägliche Realität.

Samira, 22 Jahre alt, trans Frau, sagt in ihrer Botschaft:
„Das Leben in Deutschland fühlt sich für mich an wie das erste tiefe Einatmen nach einem langen Erstickungsanfall. Zum ersten Mal kann ich ich selbst sein – auch wenn Diskriminierung in der deutschen Gesellschaft weiterhin existiert. An Afghanistan erinnere ich mich nur mit Angst und Schmerz, aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich eines Tages etwas ändert. Sichtbarkeit im Pride Month bedeutet für mich: Ich muss mich nicht länger verstecken. Ich fordere von Politikerinnen, unsere Stimmen in der Außenpolitik zu Afghanistan ernst zu nehmen. Meine Botschaft zum Pride: Am Leben zu sein – und am Leben zu bleiben – ist ein Akt des Widerstands!“

Idris, 23 Jahre alt, schwuler Mann, sagt:
„Nachdem ich aus Afghanistan evakuiert wurde – einem Ort, der für mich die Hölle auf Erden war – habe ich in Deutschland Sicherheit gefunden. Doch ich fühle mich oft einsam und übersehen. Ich mache mir große Sorgen um meine Freundinnen, die noch in Afghanistan sind – besonders um die, die bereits identifiziert wurden. Sichtbar zu sein bedeutet für mich: gehört und anerkannt zu werden. Die Gesellschaft muss sich dem Vergessen entgegenstellen. Pride ist nicht nur eine Feier – es ist der Aufschrei derer, die selbst nicht schreien können.“*

Farhad, 20 Jahre alt, trans Mann, sagt:
„Nachdem ich in Afghanistan ums Überleben gekämpft habe und dann nach Deutschland kam, habe ich angefangen, mich neu aufzubauen. Zum ersten Mal habe ich hier Zugang zu medizinischer und psychologischer Hilfe. Aber meine Gedanken sind weiterhin bei meinen Freundinnen und Liebsten, die unter dem Taliban-Regime leben – und im Schweigen der internationalen Gemeinschaft brennen. Sichtbar zu sein bedeutet für mich: ohne Urteil akzeptiert zu werden. Ich erwarte von der Weltgemeinschaft, dass sie unsere Situation nicht vergisst. Pride bedeutet Widerstand – auch in der Stille.“

Rokhshana, 26 Jahre alt, lesbische Frau, sagt:
„In Deutschland kann ich die Liebe ohne Angst erleben – etwas, das in Afghanistan unmöglich war. Ich bin eine lesbische Frau, die die Hölle überlebt hat – der Schrecken davon brennt bis heute in mir. In Deutschland habe ich die Freiheit gefunden, für die ich 26 Jahre lang gekämpft habe. Doch diese Freiheit ist begleitet von Schuldgefühlen gegenüber denen, die zurückbleiben mussten. Sichtbar zu sein bedeutet: meine Geschichte erzählen zu können – und dass jemand zuhört. Ich fordere von den Regierungen, sichere Fluchtwege für queere Afghaninnen zu schaffen. Meine Botschaft: Freiheit ist kein Privileg – sie ist unser Recht!“

Diese Stimmen spiegeln einen Ausschnitt der bitteren und zugleich hoffnungsvollen Realität der afghanischen queeren Geflüchtetengemeinschaft in Deutschland wider.
Wir fordern die Regierungen auf, die Situation von LGBTIQ-Personen in Afghanistan nicht zu ignorieren, sichere Wege für ihre Rettung zu schaffen und ihre Stimmen in der Außenpolitik hörbar zu machen.

Auch an afghanische Aktivist*innen und Organisationen im Exil in Europa richten wir einen Appell: Mehr Verantwortungsbewusstsein und Mut sind gefragt. Diskriminierung, Ausgrenzung und Schweigen gegenüber der afghanischen LGBTIQ-Community – sei es aus Angst, Unwissenheit oder Gleichgültigkeit – müssen endlich ein Ende haben.

Die Rechte queerer Menschen sind ein untrennbarer Teil des allgemeinen Kampfes für Gerechtigkeit, Menschenwürde und Gleichberechtigung. Ohne das Zuhören der queeren Stimmen kann es keine umfassende Gerechtigkeit geben.

Pride 2025 ist nicht nur ein Anlass zum Feiern, sondern auch ein Moment des Widerstands, der Solidarität und der Anerkennung von Menschen, die noch immer für ihre grundlegendsten Rechte kämpfen.

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